Wie ich neulich auf der A2 einer Betrugsmasche aufgesessen bin. Nicht nachmachen.
Anfang Juni. Ich bin auf der Rückreise von Berlin nach Hannover und halte auf dem Eurorastpark Theeßen in Möckern, um zu laden.
Meine ZOE saugt gerade an 43kW AC, da hält ein PKW mit Rechtslenkung neben mir. Ein untersetzter Typ mit Spiegel-Sonnenbrille steigt aus und fragt mich auf Englisch, ob ich englisch spräche. Yes I do. Ich erwarte ein paar Fachfragen zum elektrischen Fahren, aber dann erzählt er mir, er und sein Kumpel (der im Wagen sitzt, auch sonnenbebrillt) kämen aus Irland und ihr Wagen sei aufgebrochen und ausgeraubt worden. Ich schaue mir die Fahrertür an, ja, da ist definitiv Gewalt dran ausgeübt worden. So mit flacher Klinge an der Fensterscheibe reingehakt und Türverriegelung gelöst. Blöd. Aber klingt der Typ irisch? Hmmm. Weiß nicht so recht. Na erstmal weiter hören.
Er bittet mich um etwas Geld, es wäre ihm ja peinlich usw., aber sie müssten dringend zur Fähre usw. und hier (Osten) würde ja kaum jemand englisch sprechen usw. Sie bräuchten noch so 220,- €. Hier wäre auch sein Pass (zeigt mir einen irischen Pass, aber ich schlage ihn nicht auf und bitte ihn auch nicht, seine Sonnenbrille abzusetzen) und er würde mir das Geld natürlich sofort nach Ankunft zu Hause überweisen.
Ich bin ja reflexartig großzügig und oft mangelt es mir an gesundem Misstrauen in solchen Situationen. He, da bittet mich jemand um Hilfe, ja klar doch, gerne! Und Irland! Urlaub in Donegal! Gweebarra Bay… Und Irish Folk! Und die tragische irische Geschichte – praktisch läuft in Sekundenschnelle nochmal Leon Uris „Trinity“ vor meinem geistigen Auge ab.
So ticke ich halt. Weder komme ich auf die Idee, mir mal das Nummernschild anzuschauen (geschweige denn zu merken), noch irritiert es mich ausreichend, dass der Typ seine lächerliche Spiegel-Sonnenbrille nicht absetzt, während er mit mir redet.
Ja ja, ich weiß.
Na jedenfalls gucke ich immerhin so, dass sie es nicht sehen können, abgewandt in meine Brieftasche. Da sind noch 20,- € Cash drin. Mehr habe ich nicht dabei, und mehr würde ich auch nicht geben wollen. Ich fische die zwei 10er heraus und reiche sie dem Typ.
Ja ja, ich weiß.
Der bedankt sich, setzt dann aber seine Litanei fort und versucht, mich dazu zu überreden, am nächsten Geldautomaten noch was abzuheben.
Da gehen dann bei mir endlich die Warnlichter an. Ich versichere, dass ich das nicht tun werde und empfehle den „Iren“, auf dem „Heimweg“ in den alten Bundesländern nochmal jemanden zu fragen, da wäre die Chance, auf englisch sprechende Leute (jedenfalls meiner Altersklasse) zu treffen, möglicherweise etwas höher.
Das geht noch so ein paar Mal hin und her. Als der Typ merkt, dass bei mir definitiv nichts mehr zu holen ist, steigt er in „sein“ Auto ein und sie fahren weg. Sein „Thank You“ hätte ruhig ein wenig enthusiastischer ausfallen können.
In mir wuseln widersprüchliche Gedanken und Gefühle. Verstand sagt: Eh Alter, die haben dich hier gerade nach Strich und Faden abgezockt. Gefühl sagt: Ja aber, was, wenn sie wirklich in einer Notsituation waren?
Polizei warnt
Es klärt sich ganz schnell auf, als ich zu Hause ein wenig im Netz recherchiere:
- Polizei warnt vor „irischen“ Betrügern an A2-Rastplatz
- Fiese Masche: Unbekannte geben sich als irische Touristen aus und betteln an der A2 um Geld
Altruistische Entropie
Das Blöde an solchen Erlebnissen ist ja, dass ich, wenn ich das nächste Mal um Hilfe gebeten werde, sofort misstrauisch sein werde, auch in einer absolut authentischen Situation. Und das geht sicher nicht nur mir so. Auf diese Weise kommt es zu einer Erosion von Vertrauen und Hilfsbereitschaft. Nix gut. Hach, die Welt… ist, wie sie ist.
Da hilft nur, sich im Zweifelsfall nicht bequatschen und überrumpeln zu lassen. Besser, man holt jemanden dazu, kann auch die Polizei sein, wenn man unsicher ist. Aber, ganz wichtig: trotzdem helfen, wo Hilfe wirklich nötig ist.
So, ich hoffe, wir haben alle wieder was gelernt.
Bild: © lassedesignen – fotolia.com
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