Es ist mein vierter Winter mit dem Elektroauto ZOE. Kinder, wie die Zeit vergeht.
Reichweiteneinbruch
Dieser Winter ist irgendwie länger kälter als der vorige. Gefühlt zumindest. Wochenlanger Dauerfrost bei wenig Fahrten macht nicht nur der armen 12V-Batterie zu schaffen, auch die Reichweite geht mächtig in den Keller. Nach dem Vollladen zeigt das Display oft nur noch 85-95km an. In den drei Wintern davor waren es fast immer um die 120km.
Ebenfalls ungewöhnlich sind die mittlerweile extrem langen Ladezeiten von 99% auf 100%. Das sog. „Balancing“ dauert manchmal Stunden.
Hm. Fängt jetzt der Akku an zu schwächeln? Schon?
Kleine Akkukunde
Li-Ion-Akkus verlieren im Winter an Kapazität, weil die geringeren Temperaturen die Zellchemie ungünstig beeinflussen. Deshalb schwankt die Reichweite meiner ZOE (Q210 BJ 2013) zwischen 160km im Sommer und 120km im Winter. Auch das Laden geht im Winter bei kaltem Akku sehr gemächlich vonstatten.
Außerdem altern Akkus kalendarisch, also mit der Zeit. Im Laufe der Jahre verlieren sie an Kapazität. Isso, machste nix dran.
Trick 17
Renault hat sich etwas einfallen lassen, um das Fahrerlebnis in Bezug auf die Reichweite so lange wie möglich unbeeinträchtigt von der Akkualterung und dem damit schleichend einhergehenden Kapazitätsverlust zu lassen:
Es wird nicht die volle Akkukapazität zum Fahren freigegeben. Simple as that.
Das Batteriemanagementsystem (BMS) sorgt dafür, dass zu Beginn des Akkulebens in der ZOE von den 25.920Wh (laut Akku-Aufkleber) nur rund 22kWh für die Nutzung zur Verfügung stehen. Der Rest ist einerseits Puffer, um Überladung und Tiefentladung zu verhindern (angezeigte 100% SOC sind nicht wirklich 100%, und wenn die ZOE stehenbleibt, ist der Akku auch nicht wirklich schon ganz „leer“), und dient andererseits als Altersrückstellung.
Im Laufe der Jahre soll nun eigentlich die Software des BMS peu à peu etwas von dieser Reserve freigeben, um den Kapazitätsverlust durch die Alterung auszugleichen. Auf diese Weise würde man in den ersten 5 Jahren keine Reichweiteneinbußen bemerken. Erst, wenn der Puffer aufgebraucht ist, geht die Reichweite runter. Soweit die Theorie.
Jetzt könnte man darüber debattieren, ob es nicht ebenso sinnvoll wäre, die volle Akkukapazität von Anfang an freizugeben. Dann hätte man zwar kontinuierlichen Reichweitenverlust, aber in den ersten Jahren auch eine deutlich größere Reichweite. Egal, die Renault-Ingenieure haben anders entschieden.
Aber warum bricht dann die Reichweite in diesem Winter so plötzlich und so stark ein? Und offenbar nicht nur bei meiner ZOE?
Turns out it’s a bug, not a feature.
Renault, deine Software
Renault und Software, das sind zwei Dinge, die nur sehr bedingt miteinander auskommen. Ich sag nur R-Link und Website.
Software-Fehler im Batteriemanagementsystem (BMS)
Im Fall der plötzlichen Reichweitenverschlechterung und ausufernden Balancing-Zeiten liegt ein Software-Fehler im Batteriemanagementsystem (BMS) vor. Der Alterungsprozess des Akkus und in Folge dessen „Gesundheitszustand“ SOH wird falsch berechnet. Das BMS glaubt daher, der Akku hätte nur noch wenig Kapazität und lädt ihn nicht mehr so voll wie es eigentlich könnte und müsste. Ergo: weniger Reichweite.
CanZE-Check
Mittels CanZE lese ich die relevanten Werte meines Akkus aus:
Was sehen wir da: Die Summe aus verfügbarer Energie und „Energie bis voll“ (also die insgesamt nach Vollladung nutzbare Kapazität) beträgt nur noch 19,3 kWh (statt rund 22) und der SOH ist runter auf 85%.
BMS-Update
Renault hat auch geschnallt, dass da was nicht stimmen kann und stellt ein Update für das BMS Steuergerät bzw. einige seiner Komponenten bereit.
Aus der Antwort der Renault Österreich GmbH auf eine entsprechende Anfrage des Zoe Club Austria:
Softwareupdate Steuergeräte SOC 80% → 100%
Dieses Softwareupdate steht in der Tat zur Verfügung und kann, sofern das Fahrzeug nicht am letzten Stand ist, angewendet werden.
Dieses Update bezieht sich hauptsächlich auf das BMS (Batterie Management Steuergerät) & BMS safe Steuergerät, außerdem existiert eine Veröffentlichung (nur für unser Händlernetz) dieser technischen Maßnahme.
Im Gegensatz zu vielen Spekulationen in den „social media“, gibt Renault über die neue Software nicht einfach die volle Akkukapazität frei, sondern es wird die Kalkulation für die Berechnung der Akkukapazität korrigiert.Dies bedeutet folgendes:
Wenn in der Vergangenheit eine nicht korrekte Kalkulation durch das BMS Steuergerät stattgefunden hat, bedeutete dies auch automatisch, dass das Steuergerät für den Ladevorgang von einer anderen Batteriekapazität (gealtert) ausgegangen ist und nicht mehr die volle Ladung zugelassen hat.Die Schlussfolgerung ist, es ist weniger Ladung möglich (in KW und nicht ausgehen von der 100% Anzeige am Display), was auch weniger Reichweite bedeutet hat.
Dies wird mit dem Update jetzt korrigiert. Es empfiehlt sich im Rahmen des Updates, alle Steuergeräte des 400V Stromkreises kontrollieren und auf den neuesten Softwarestand programmieren zu lassen.Achtung: auch hier gilt, dies ist keine Allround-Lösung für alle ZOEs, sondern muss fahrzeugspezifisch geprüft werden und sollte nur bei nachvollziehbarer Beanstandung zum Einsatz kommen. Ihre ZE-Werkstatt kann Auskunft darüber geben, ob ein Update möglich ist oder nicht.
OK, dann auf in die Werkstatt meines Vertrauens, zum Update.
Update mit Hindernissen
Viele Renault-Werkstätten haben offenbar keine Kenntnis von diesem Update und wimmeln ratsuchende ZOE-Fahrer/innen ab. Im GoingElectric-Forum kann man die Misere nachlesen.
Meine Stammwerkstatt gehört zu den wenigen mit echt Ahnung und elektromobilem Engagement. Da nehme ich auch 60km Anfahrtsweg in Kauf.
Ich rufe an, wir machen einen Termin, ich fahre hin. Muss gar nicht viel erklären, da das Problem und seine Lösungsmöglichkeit schon hinlänglich bekannt sind.
Das Update scheitert.
Grund: Die Steuergeräte können nur bei bestehender Onlineverbindung zu einem Renault-Server aktualisiert werden. Und genau diese Renault-Server sind offenbar so überlastet, dass die Verbindung abbricht und nicht wiederhergestellt werden kann. Tagelang nicht, wie sich herausstellt.
Jetzt sag mal, Renault! Wir haben 2017! Stellt euch da mal vernünftige Hardware hin und einen entsprechend dimensionierten Internetanschluss! Gibtsdochgarnicht.
Neuer Versuch eine Woche später. Diesmal klappt alles. Yeah Baby!
SOH: 98%
Ich schließe gleich mal CanZE an (neue Version, inzwischen auch in deutscher Sprache verfügbar) und schaue nach den neuen Werten für die „Batteriegesundheit“ SOH und die Energiesumme:
Die nun nutzbare Akkukapazität summiert sich auf 23,1 kWh, rund 1 kWh mehr als im Originalzustand und 3,8 kWh mehr als vor dem Update. SOH ist jetzt 98%. Na bitte!
Neben der Korrektur der Alterungsberechnung hat Renault also offenbar noch eine kWh aus der Reserve mehr spendiert. Somit zieht die alte Q210er ZOE kapazitätsmäßig mit der neueren R240 gleich.
Garantieleistung
Das Update war kostenlos im Rahmen der 5-Jahres-Garantie auf den Antriebsstrang und seine Komponenten. Meine normale Garantiezeit ist ja schon um, also hatte ich sicherheitshalber schon vorher gefragt. Ersatz-ZOE für 2 Tage ebenfalls kostenlos. Erwähnte ich schon, warum ich immer zu genau dieser Werkstatt fahre?
Versionsvergleich
Vor und nach dem Update checke ich mit CanZE auch die in meiner ZOE aktuell vorhandenen Software-Versionen der relevanten Module LBC (Lithium Battery Controller) und LBC2 (Lithium Battery Controller 2):
vor Update | nach Update | ||
LBC | DiagVersion: | 05 | 25 |
Supplier: | AE0 | AE0 | |
Soft: | 0651 | 0852 | |
Version: | 0000 | 0000 | |
LBC2 | DiagVersion: | 05 | 25 |
Supplier: | AE0 | AE0 | |
Soft: | 0651 | 0853 | |
Version: | 0000 | 0000 |
Fazit
Das BMS-Update behebt die fehlerhafte Berechnung des Akkuzustandes und stellt die originale Reichweite wieder her, sogar mit einem kleinen Plus. Auch die für das Balancing (99%-100%) benötigte Zeit liegt wieder im normalen Bereich.
Mal sehen, wie das im Sommer wird. Heute früh bei 10°C hatte ich jedenfalls nach dem Vollladen:
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